1. Juli 2023
Wir laden immer wieder Menschen ein, sich eine Geschichte zu einem von Lamothes Bildern auszudenken. Toll, wie viele unterschiedliche Ideen da zusammenkommen! Wim Schulz hat uns solch eine Geschichte geschrieben und zur Verfügung gestellt. Lest selbst: Catalina, Estefania und Juana sitzen im Sternenglanz an der Strandpromenade. Hören wir Ihnen ein wenig zu: „Auf Dein Wohl, Fanny!“ „Ja, auf Dein Wohl! Und immer gute Fahrt auf freien Straßen.“ „Danke Mädels. Es war ein gutes Stück Arbeit. Zwischendurch habe ich schon gedacht, ich schaff das nicht. Aber dann war die Prüfung da und ich bin einfach losgefahren, ohne darüber nachzudenken. Plötzlich sagte der Prüfer: „Vielen Dank, Sie haben bestanden!“ Da löste sich alle Anspannung in mir und ich habe vor Freude geweint. Und jetzt habe ich den Führerschein!“ „Klasse! Meinst Du, Amadeo wird Dich mit seinem Auto fahren lassen?“ „Nicht die Bohne. Der Hurensohn ist vor einer Woche ausgezogen. Ich habe ihm seinen Krempel nachgeworfen, dann ist er mit seinem Angeberschlitten abgedüst. Der hat bei mir verschissen bis in die Steinzeit.“ „Wie? Amadeo hat Dich verlassen? Erzähl! Warum, wieso, weshalb?“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war ihm nicht mehr gut genug. Mit mir konnte er bei seinen Kumpels nicht richtig angeben. Er hat jetzt eine Schicky-Micky-Tussie mit Pferdearsch und Körbchengröße E.“ „Mist! Jetzt hast Du die Pappe, aber das Auto ist weg. Andererseits, Amadeo ist kein großer Verlust. Du hast ihm den Haushalt gemacht und das Bier kalt gestellt. Du wirst was Besseres finden.“ „Ja schon. Aber wenn er wollte, war es echt schön mit ihm. Abends, wenn ich allein bin und an die Zimmerdecke starre, vermisse ich ihn.“ – seufz – „Nun mal keine Schwachheiten, Estefania! Er hat Dich für eine Tuschkasten-Tussi verlassen. Dem würde ich keine Träne nachweinen. Und einen Lover, der sein Handwerk versteht, findest Du ganz sicher wieder. Also Kopf hoch und ran ans Werk. Jetzt hast du den Führerschein. Den hast Du ganz allein aus eigener Kraft und Willen gemacht.“ „Ju, Du hast recht. Und ein Auto habe ich auch schon.“ „Hey, wie das?“ „Meine Mutter fährt nicht mehr Auto. Mit 87 fühlt sie sich nicht mehr sicher. Ich bin zweimal die Woche bei ihr. Da hat sie gesagt, ich soll jetzt ihr Auto fahren. Aber was ist bei Euch los? Cata, bist Du noch mit Ricardo zusammen? Letzten Monat hörte sich das nach Krise bei Euch an.“ „Ach Fanny, wir streiten uns fast jeden Tag. Er hängt von morgens bis abends nur noch auf dem Sofa rum. Tagsüber mache ich die Putze und abends soll ich seine Diva sein. Seine Faulheit kotzt mich an. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann er sich das letzte Mal für irgendetwas Mühe gegeben hat. Jetzt habe ich ihm ein Ultimatum gesetzt. Er hat noch zehn Tage Zeit, sich zu ändern. Aber er hat mich nur beschimpft, was ich mir einbilde, ich sei doch nur eine dumme Göre und ich solle froh sein, dass mich überhaupt einer anguckt.“ „Na, den hätte ich schon längst rausgeschmissen. Was bildet sich dieser Kackstiefel eigentlich ein? Vor drei Jahren warst Du doch begeistert von ihm.“ „Stimmt. Vor drei Jahren hatte er noch einen Job als Elektriker. Das hatte er einmal gelernt. Aber dann ist die Firma pleite gegangen. Der Chef hat die Lohngelder geklaut und die Arbeiter standen mit leeren Taschen auf der Straße. Seitdem ist ihm alles egal, vermutlich ich auch. Rausschmeißen kann ich ihn nicht. Die Wohnung gehört seiner Mutter.“ „Und was willst Du in 10 Tagen machen? Du glaubst doch nicht etwa, dass er in letzter Minute die Kurve bekommt?“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber ich habe einen Plan B. Ihr kennt doch Mateo vom Sozialzentrum. Bei ihm kann ich erstmal unterkommen. Einen Job in der Gemeindeküche hat er auch für mich. Er kann nicht viel bezahlen. Aber ohne die Miete reicht es erstmal. In einem halben Jahr sieht die Welt anders aus.“ „Mateo kenne ich. Das ist schon ein attraktiver Kerl. Bei ihm mietfrei unterkommen, das hört sich eher so an, als ob Du die Miete abschlafen müsstest.“ „Ja, habe ich auch erst gedacht. Wobei, Mateo wäre sicherlich keine schlechte Wahl. Aber ich habe herausbekommen, er ist schwul. Aber das darf keiner wissen. Sonst würde eine Hexenjagd beginnen. – Und ich ziehe auch nicht zu ihm in die Wohnung. In der Via Blanca hat er ein Wohnhaus. Dort ist in einer Frauen-WG ein Zimmer frei.“ „Das hört sich schon besser an. Ich wünsch Dir viel Glück und alles Gute! Und wenn Du Hilfe brauchst, sag Bescheid.“ „Klaro, ich helfe Dir natürlich auch. Ich kann Dir sogar etwas Geld geben. Ich habe gerade einen guten Job in einer Parfümerie. Wenn ich teure Parfüms verkaufe, bekomme ich Extraprämien. Irgendwie habe ich es drauf, den Edelmiezen die teuren Flakons anzudrehen. Bezahlen tun natürlich ihre Macker. Die wollen sich nicht lumpen lassen.“ „Danke Mädels für Eure Hilfe. Ich weiß. Auf Euch kann ich mich verlassen. Aber sag, Ju, warst Du nicht auch einmal mit so einem Typen aus ner Muckibude zusammen? Der hatte doch einen roten Sportwagen.“ „Stimmt, Cata. Das war Emilio. Der war ein echter Blender. Mit seiner charmanten Art hat er mich rumgekriegt. War schon toll, einen starken Beschützer an der Seite zu haben. Mit der Zeit kehrte sich aus dem Beschützer der Aufpasser hervor. Außerdem war er im Bett eine hohle Nuss. Nach fünf Minuten war er durch und ist eingepennt. Erst dachte ich, ich mache da was falsch. Aber eine seiner Exen hat mir die gleiche Story erzählt. Da habe ich die Reißleine gezogen. Mit mir nur noch auf Augenhöhe. So ein Windhund kommt mir nicht mehr an den Tisch und ins Bett.“ „Also, wenn ich uns so zuhöre, frage ich mich: Sind alle Männer so? Oder haben wir nur Pech gehabt?“ „Nein, nein. Männer sind wie öffentliche Toiletten. Entweder besetzt oder beschissen. Ich möchte es ihnen gerne einmal zeigen, dass man mit uns nicht machen kann, was Mann will. Seht Ihr die Villa dort drüben? Mateo hat mir erzählt, sie steht leer und zum Verkauf. Wenn ich sie kaufen könnte, würde ich dort ein Frauenzentrum einrichten. Zwanzig Zimmer soll sie haben. Da könnte ich zwanzig Frauen eine Zuflucht bieten. Und zwanzig Fastidos wären außen vor.“ „Ja, man müsste es diesen Machos, Unterdrückern und Faulpelzen richtig heimzahlen und ihnen zeigen, wo unsere Hämmer hängen. Aber woher sollen wir das Geld nehmen? Mit meinem kleinen Sparbuch komme ich da nicht weit.“ „Cata, Du sagst es: heimzahlen! Bezahlen müssen sie, und das nicht zu knapp. Habt Ihr schon mal als Escort-Lady gearbeitet? Geschäftsleute bezahlen gut, um mit Euch auszugehen. Wir sollten so einen Begleitservice aufmachen. Und von den Einnahmen kaufen wir die Villa.“ „Nette Idee. Aber nach dem Abendessen musst Du mit Ihnen aufs Hotelzimmer. Und wenn Du Pech hast, gerätst Du an ein perverses Schwein.“ „Hotelzimmer kostet extra. Sag Fanny, wie oft warst Du schon mit einem Typen im Bett, ohne Spaß dabei zu haben? Und was hast Du davon gehabt außer Eiweißflecken im Laken? Pervers machen wir nicht. Ordentlich vögeln gegen Vorkasse aufs Konto ist für mich OK. Keine von uns ist allein, immer wissen die anderen beiden von den Dates. Mit einer Standort-App auf dem Smartphone sichern wir uns gegenseitig ab. Also, was haltet Ihr davon?“ „Ju, an Deinem Vorschlag ist was dran. Nicht nur einmal habe ich den Arsch hingehalten und war am Ende die Angeschmierte. Und Fanny, ich erinnere mich noch gut an den Typen, der Dir vor Jahren regelmäßig den Hintern versohlt hat, wenn er besoffen war. Du hast ihn angezeigt und die Bullen haben sich darüber schlapp gelacht. Wir müssen für Frauen-Gerechtigkeit selbst sorgen. Und die Männer müssen dafür bezahlen. Ich mache mit, ich will die Villa!“ „Hmm, mir ist die Idee nicht ganz geheuer. … Ihr habt natürlich recht. Zuviele Männer springen mit uns um, als ob wir Allgemeingut für ihre Schlafzimmer wären. Ich habe mich übrigens für einen Selbstverteidigungskurs angemeldet. Nächste Woche geht es los. Bitte kommt mit, dann weiß ich, wir können das schaffen. Wenn wir fest zusammenhalten, ist mir auch nicht bange vor ein paar Ohrfeigen. Aber bezahlen müssen die Kerle dafür. Und wie Du sagst, Vorkasse. Ich höre schon die Lieder der Frauen in der Gemeinschaftsküche der Villa und sehe ihre Kinder im Garten spielen.“ „Abgemacht. Cata, Fanny, wir machen das. Wir treffen uns nächsten Sonntag bei mir und setzen den Zug aufs Gleis. Zum Selbstverteidigungskurs komme ich natürlich auch. Komm, gieß nach, wir trinken auf unsere Zukunft und die Frauen!“ Mit ihrem Toast auf das Projekt verlassen wir die drei besten Freundinnen. Ob ihr Projekt erfolgreich wird und sie die Villa kaufen werden? Copyright Wim Schulz, Berlin, 2023.